
Wie man Einblicke in die User Erfahrung gewinnt und diese für sich nutzbar macht.
Die Costumer Journey Map ist in der Produktentwicklung seit einigen Jahren zu einem wichtigen und etablierten Tool geworden, um Kundenbedürfnisse zu ermitteln. Sie visualisiert die Kundenerfahrung, ihre „Reise“ vom ersten Moment des In-Kontakt-Tretens bis hin zum Ende des Kundenkontaktes. Hier gibt es unterschiedliche Formen.
Start
Je nach Fall kann die Journey mit der Werbung im Internet oder auch einem Flyer beginnen: Die mittdreißiger Frau, die eigene Videos schneiden möchte und hierfür nach einer Software sucht, während sie nachts via youtube Videos schaut, mit der Werbung konfrontiert wird und schließlich den Namen des Anbieters im Kopf behält. Sie will ihr Geld nicht für eine Software ausgeben, die unnötig teuer ist oder ihren Bedarf übersteigt und noch dazu unhandlich ist. Bei der weiteren Recherche trifft sie immer wieder auf diesen einen Namen, ihr inzwischen schon vertraut. Sie schaut sich die unterschiedlichen Anbieter an, fragt auch ihre Bekannten und deren Bekannten, am Ende kommt sie zurück auf die Webseite. Ein großer Schritt ist schon getan. Sie sucht sich das kleinste Paket aus, möchte die Software nun erwerben. Plötzlich sieht sie sich im Kaufprozess mit unzähligen Fragen konfrontiert, die sie nicht beantworten kann. Sie vertagt den Kauf. Sie ist sich nicht mehr sicher. Sie hat vieles Gutes gehört – die Seite sieht unseriös aus. Es bedarf einer weiteren Schleife an Nachforschung und Gesprächen mit Bekannten, die ihr zu Rat stehen. Am Ende, mit etwas Hilfe und Zuversicht, entschließt sie sich, den Kauf abzuschließen. Ganz wohl fühlt sie sich dabei nicht. Als alles gut geht, ist sie glücklich.
Was hätte man als Anbieter hier besser machen können?

Die Customer Journey Map (CJM) fasst die Erfahrung der Benutzer zusammen. Sie wird erstellt, um einen tieferen und realistischen Einblick in die Benutzererfahrung der User zu bekommen. Dazu werden Benutzer dabei begleitet, wie sie bestimmte Prozesse ausführen und (Lösungs)-Wege gehen. Das kann in Form von Interviews oder aber direkt als Beobachtung erfolgen. Aussagen, die hier gewonnen werden, werden über die Untersuchungs- oder Zielgruppe getroffen. Das Verhalten und die Erfahrung eines bestimmten Profils, einer Persona, werden dargestellt. Daher sollte vorab genau definiert werden, wer die Persona ist, die z.B. durch die Entwicklung angesprochen werden soll. Die Customer Journey Map ist sozusagen die Auswertung der Aussagen und fasst diese als Ergebnis zusammen. Sie lässt sich perfekt in die Produktentwicklung integrieren, da Stärken und Schwachstellen im Prozess sichtbar werden, der emotionale Wert für den Kunden visualisiert wird und die CJM darüber hinaus Einblick in das „Warum“ der User-Interaktion bietet.
Ablauf
Wie sammelt man also die Daten? Das klassische Feedback aus Kundenrezensionen oder aus dem Customer-Service ist eine wichtige Basis, reicht jedoch als einzige Quelle bei weitem nicht aus. Bewährt sind Interviews und Beobachtungen mit realen Kunden. Sie lassen eine direkte Interaktion mit dem User zu und ermöglichen es, wirklich zu verstehen, was den Kunden motiviert, frustriert und welche Erwartungen er/sie hat. Dabei muss das Ziel der Customer Journey Datensammlung klar mit dem Stakeholder abgesteckt sein.
Angemessen wäre es also Tina, unsere eben vorgestellte Kundin, und noch weitere potenzielle Kunden (angemessen sind 5-10) beim Kaufprozess zu begleiten.
Dazu geht man wie folgt vor:
Datensammlung
Vorbereitung
- Alle zur Verfügung stehenden Informationen sollten vorab gesamplet und studiert werden, um Methoden auszuwählen und zu planen. Persona und Probleme können schon hier kennen gelernt werden.
- Es ist sinnvoll, den Produkt-Prozess als Researcher selbst durchzugehen, praktisch selbst Erfahrung zu sammeln, um diese Erfahrung in der Planung und Auswertung zu berücksichtigen.
- Die Zielgruppen-Personas müssen klar definiert sein. Damit die gesammelten Daten sinnvoll ausgewertet werden können, muss die Zielgruppe und der Aussagewert der CJM für alle Beteiligten klar sein.
Methode
- Als Methode sollte ein Interview und/oder eine Teilnehmende Beobachtung durchgeführt werden [dadurch kann das Wissen der User in Erfahrung gebracht werden, es können die Aussagen mit der Praxis abgeglichen werden, emotionale Reaktionen werden sichtbar und man erfährt mehr über die Lebensumstände].
- Für Interview und Beobachtung sollte ein Leitfaden-gestützter Interviewbogen vorbereitet sein. [Aufgaben und Ziel der Befragung müssen klar definiert sein. In dem Interview selbst dient der Leitfaden als Stütze, um nichts zu vergessen. Die Fragen sind nicht als starre Punkte zu betrachten, sondern werden während des Interviews situationsbedingt angepasst]
- Die Fragen müssen präzise sein und sollten keine Ja-Nein Antworten hervorrufen, sondern das Warum erforschen.
- Wichtig ist, dass das Objectiv, die Task, vorab klar definiert ist für das Interview.
- Aufgaben, die der Nutzer während der Beobachtung durchführen soll, sollten auf das Forschungsinteresse ausgerichtet sein.
Durchführung
- Dem Teilnehmer muss transparent erklärt werden, wozu das Interview und die Beobachtung durchgeführt werden. So kann er präzise auf die Fragen eingehen.
- Aufgaben, die dem Respondenten gestellt werden, sollten sehr klar formuliert sein.
- Pausen im Gespräch sind wichtig, damit Teilnehmer reflektieren können.
- Fragen, die im Prozess aufkommen, sind auf die einzelnen Aktivitätsstufen herunterzubrechen (z.B. Sign-Up Prozess: Was ist schwierig am Sign-Up Prozess?).
- Jeder einzelne Touch Point zwischen User und Produkt muss ermittelt werden und mit seinem emotionalen Wert festgehalten werden.
- Der Peak Moment der Anwendung muss ermittelt werden. D.h. welche emotionalen Höhen und Tiefen durchläuft der User während des Prozesses.
Dokumentation
- Während des gesamten Prozesses werden Notizen gemacht, auf die man sich am Ende des Interviews beziehen kann oder die einen Schwerpunkt festhalten. Auch die einzelnen Interaktionen, Reaktionen oder Pausen sollten schriftlich festgehalten werden.
- Als zusätzliche Stütze kann das Interview aufgenommen werden. Da auch hier Ethik an vorderster Stelle steht, müssen Teilnehmer um Einverständnis gefragt werden.
Auswertung
- Alle Aussagen werden verschriftlicht. Die Aussagen werden auf Muster untersucht und geclustert. Gemeinsame und abweichende Touch Points werden ermittelt. Die emotionalen Reaktionen werden zugeordnet. Dadurch werden Zusammenhänge, Ähnlichkeiten und Unterschiede in den einzelnen Benutzererfahrungen definiert.
- Eine CJM wird erstellt, die die Aussagen und Verhaltensweisen der Teilnehmer prototypisch vertritt. [fällt ein Teilnehmer aus dem allgemeinen User-Verhalten heraus, wird er nicht in dieser CJM mit einbezogen, sollte aber dennoch im Hinterkopf behalten werden. Evtl. fällt er in eine andere Persona-Gruppe, die in Zukunft interessant sein könnte. Häufig werden auch mehrere CJM erstellt.]
- Die emotionale Erfahrung wird in einer Kurve festgehalten und die CJM steht für die vertiefende Betrachtung der User Experience in der Produktentwicklung bereit.
Ethik
Allen unseren Teilnehmern sollte transparent erklärt werden, wozu das Interview und die Beobachtung durchgeführt werden. Auch die Aufgaben, die ihnen gestellt werden, müssen sehr klar formuliert sein. Nur so können realistische Daten zur Benutzererfahrung gesammelt werden, die als Grundlage zur Produktentwicklung und Veränderung von bestimmten Features dienen können.
Output und nächste Schritte
Berücksichtigt man diese Punkte, erhält man qualitativ wertvolle Daten, die einen Einblick in die User Experience (UX) bieten. Sie können dazu beitragen, am Anfang der Produktentwicklung die Persona mit all ihren Motivationen, Erfahrungen und Problemen kennen zu lernen, ggf. zu definieren.
Darüber hinaus bieten Customer Journey Maps Aufschluss über die realen Erfahrungen unserer Kunden. Mit der Einsicht in ihren Alltag lassen sich langfristige Entscheidungen für die Produktentwicklung treffen und Frustrationen sowie Schwierigkeiten beim Kunden beheben. Ein Profit für jeden.