Von richtigen Fragen..zu Antworten

Ein wichtiger Einflussfaktor für das Testing ist der Ort, an dem Interviews etc. abgehalten werden. Nicht nur für die Teilnehmende Beobachtung, sondern auch für das Interview sollte das Setting möglichst natürlich sein. Daher ist geraten, für das Interview einen Ort mit angenehmer Atmosphäre auszuwählen. Kommt es zum Interview, sollte das Zusammentreffen mit den Informanten möglichst sinnvoll genutzt werden. Dazu gehört auch, wie im Bespiel unseres vorangegangenen Blogposts, die einzelnen Sohlen mitzubringen oder das Testing direkt in einem Store durchzuführen. Dadurch erhält man die Nähe zum Thema aufrecht. Ganz nach Produkt und Daten, die ermittelt werden sollen, können Einzelgespräche oder Gruppengespräche durchgeführt werden. Beides hat Vor- und Nachteile.

Vor der Suche nach Testern muss innerhalb des Teams klar sein, was Ziel der Befragung ist. Dieser Schritt kann vor oder nach der Beobachtung erfolgen; je nachdem in welchem Zyklus die Entwicklung und das Produkt stecken. Bei der Durchführung der Interviews hilft ein strukturierter Leitfaden. Daher gilt es zu überlegen: Welche Features sollen befragt werden. Wie kann ich diese Features direkt oder indirekt ansprechen. Sind alle Aspekte enthalten? Welche Aspekte könnten im größeren Kontext wichtig sein, konnten jetzt aber noch nicht in das Produkt einbezogen werden? 

Interviews

Wichtig ist, dass während des Interviews eine offene und ehrliche Atmosphäre herrscht, sodass die Tester und Teilnehmer ermutigt werden, offen ihre Meinung zu sagen. Eben auch, wenn ihnen etwas nicht gefällt, sie Kritik aussprechen möchten oder sie sich einfach noch nicht im Klaren sind über bestimmte Fragen oder Features und sie Zeit zum Nachdenken brauchen. Denn die sollen sie sich nehmen.

Was könnte besser für die Produktentwicklung sein als ein ehrliches Feedback? Was könnte wertvoller sein, als Zukunftsvisionen und Wünsche von genau den Personen, die dein Produkt in ein paar Jahren im Laden stehen sehen werden?

Um diese Art von Antworten zu bekommen, werden Ja-Nein Fragen umgangen, denn wir wollen wissen warum der Gesprächspartner oder Tester genau diese Ansicht vertritt. 

Ziel ist es, die Probanden mit allen ihren Ansichten möglichst zu Wort kommen zu lassen. Über viele Aspekte haben sie vielleicht noch nie nachgedacht. So ging es mir z.B. damals bei der Frage „Was bedeutet Dir Laufen im Alltag und warum kommst Du immer wieder zu der […] Laufgruppe zurück?“. Mir wurde in dem Moment klar, dass ich nicht wie viele andere, einen Motivator brauchte, loszulaufen. Vielmehr verspürte ich durch den professionellen Rahmen von Auf- und Abwärmen ein Gefühl von Sicherheit, mich weniger zu verletzen. Dafür nahm ich drei Mal die Woche einen einstündigen Hin- und Rückweg in Kauf. 

Was lernen wir daraus? Dem Tester ist es wichtig regelmäßig laufen zu gehen. Gleichzeitig empfindet er durch seine Laufgeschichte eine erhöhte Angst, diesen Habitus in Zukunft nicht immer durchführen zu können. Eine professionelle Gruppe bietet dann das Gefühl der Sicherheit, obwohl das Auf- und Abwärmprogramm auch einfach von zuhause aus durchgeführt werden könnte. Die Stickiness ist in diesem Fall also eine konkrete Emotion von weniger „Risiko-belastetem Training“, die vermittelt wird durch ein bestimmtes Lauftreffen, das über Guerillamarketing von dieser Marke durchgeführt wird.

Ähnliche Kategorien von Fitness vs. Verletzungen können sich auch zu den Produkten finden. „Von diesen und jenen Schuhen [Marke] habe ich Knieprobleme bekommen. Jetzt renne ich nur noch in [Marke].“

Sei also möglichst offen für das, was dein User dir über seinen Alltag erzählen kann.

Vielleicht lassen sich diese beiden Aspekte zu Verletzung und Sicherheit noch nicht in dem vorliegenden Produkt verarbeiten – aber findet sich das Thema häufiger in den Interviews und Beobachtungen, liegt scheinbar ein Bedarf vor. Dies ist wertvolles Material für zukünftige Produkte. Der User wird sich verstanden fühlen und bereitwillig dazu berichten, wenn das Thema vertieft wird.

Datensicherung

Die Größe des Samplings kann sehr variieren und sollte daher vorher abgestimmt werden. Nach UX Studies gilt dabei die Faustregel: entweder 5 Test oder 15.

Bei der Datensicherung gilt immer: Der Tester sollte zu Beginn gefragt werden, ob er mit den Aufnahmen einverstanden ist. Auch ist es wichtig ihn darüber aufzuklären, was die Ziele des Gespräches oder Testings sind. Nur wenn wir selbst ehrlich zu dem Partizipanten sind, können wir auch Ehrlichkeit von Seiten unseres Gesprächspartners erwarten.

Nehme das Interview am Besten mit einem Tonbandgerät und eventuell auch einer Kamera auf, wenn unterschiedliche Samples vorgestellt werden. Zusätzlich solltest du dir Notizen machen. So z.B. welche Themen du noch einmal tiefergehend besprechen möchtest, oder Gefühle von Zu- oder Abneigung, die du bei der Beantwortung bestimmter Fragen empfunden hast. Halte auch fest, ob der Tester bei bestimmten Fragen unsicher war.

Ein weiteres wichtiges Mittel sind ausführliche, „Tagebuch“-ähnliche Notizen nach jedem Treffen. Hier können wichtige Eindrücke festgehalten werden und mit den Aussagen im Interview abgeglichen werden.

Z.B. äußert der Teilnehmer auf die Frage, wie er die Farbe findet: „Ja. Gefallen mir gut.“ Der Durchführende hat jedoch eher das Gefühl, dass der Teilnehmer sich unwohl in der Gesprächssituation fühlte und eigentlich eher eine ablehnende Haltung eingenommen hat. In diesem Fall sollte der Durchführende dies in die Auswertung mit einfließen lassen und z.B. anstatt „5 Testern hat die Farbe gefallen.“ „4 Testern hat die Farbe gefallen. Ein Tester hat sich nicht klar geäußert. Im weiteren Verlauf wurde klar…“. Dies ist ein sehr wichtiger Hinweis für die spätere Analyse des Datenmaterials.

Wundere dich nicht, die Analyse ist manchmal eine Welt für sich. Sie kann eine ganz eigene und ab und zu etwas tückische Angelegenheit sein. Doch die Arbeit lohnt sich und wird mit Informationen und neuen Perspektiven belohnt. Da wir sie an dieser Stelle nicht einfach kurz abwimmeln wollen, lies mehr dazu in unserem nächsten Post, der sich nur der Auswertung widmet.